Kopie aus: "SEISMOS-ECHO" Nr.2 / 1956

 
Professor Dr. Dr. h. c. Ludger Mintrop
zum Gedenken

Am Neujahrstage 1956 verschied nach kurzer, schwerer Krankheit Professor Dr. phil. Dr. mont. h. c. Ludger Mintrop mit 76 Jahren.

Noch vor wenigen Monaten konnte Ludger Mintrop auf seinem heimatlichen Gut Barkhoven in Essen-Werden an seinem 75. Geburtstag die Glückwünsche der wissenschaftlichen Fachwelt und der Industrie des In- und Auslandes in voller Rüstigkeit entgegennehmen. Der Herr Bundespräsident Professor Heuss zeichnete ihn mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik aus. 
Die SEISMOS G.m.b.H., Hannover, nimmt es sich zur ehrenvollen Verpflichtung, das zweite Heft ihrer Hausmitteilungen dem Gedenken Professor M i n t r o p s zu widmen, der der Begründer und langjährige Leiter unserer Firma gewesen ist. 
Ludger Mintrop wurde am 18. Juli 1880 auf dem elterlichen Gut Barkhoven bei Essen-Werden geboren und verlebte im Kreise von 15 Geschwistern eine fröhliche, ungetrübte Jugend. Er besuchte die Coelestin-Schule in Heidhausen und die Rektoratsschule in Werden. Die Reifeprüfung legte er auf dem Realgymnasium in Aachen ab. Nach gründlicher mehrjähriger Praxis im Ruhrbergbau studierte er auf der Bergakademie in Berlin bei dem Geheimen Bergrat Schneider und auf der Technischen Hochschule in Aachen bei Professor Hausmann. Im Jahre 1905 erhielt er nach Ablegung der Staatsprüfung vor dem Oberbergamt Dortmund die Zulassung als Markscheider und ging dann zunächst als Assistent zu Professor Hausmann zurück nach Aachen, wo er den für seinen Lebensweg entscheidenden Kontakt mit der Geophysik bekam. Nachdem er im Auftrage von Prof. Hausmann nach dem Göttinger Vorbild eine seismische Station in Aachen eingerichtet hatte, wechselte er 1908 zu Professor Wiechert, dem Altmeister der Seismologie, nach Göttingen über und wurde hier bereits zu eingehenden Versuchen mit künstlich erzeugten Erdbeben und zum Bau leichter transportabler Seismographen angeregt. An die Bergschule Bochum als Dozent für Markscheidekunde berufen, richtete er auch hier eine stationäre seismische Station ein, verfolgte aber auch seine Ideen zur Nutzbarmachung der Seismik für praktische Aufgaben weiter. Hierüber berichtete er 1909 in einem ausführlichen Aufsatz in der Zeitschrift "Glückauf", in dem er zahlreiche Beobachtungen an künstlichen Erdbeben diskutierte und auf die Ziele der Erdbebenwarte Bochum hinwies, ohne jedoch hier schon die Möglichkeit der Erforschung von Gebirgsschichten zu erwähnen. 
1910 zeigt er in seinem Vortrag "Über künstliche Erdbeben" auf dem Kongreß für Bergbau, Hüttenwesen, angewandte Mechanik und praktische Geologie in Düsseldorf vor einem internationalen Gremium zahlreiche seismische Aufnahmen künstlich erzeugter Erdbeben. Der bemerkenswerte Schlußsatz lautet:     "Der Zweck dieses Vortrages ist erfüllt, wenn er ein allgemeines Bild von der Art der Ausbreitung künstlicher Bodenerschütterungen gegeben und zu weiteren Untersuchungen angeregt hat." 
Die Erfüllung dieser Vorausschau blieb Mintrop selbst vorbehalten. 
Im Jahre 1910 vermählte sich Mintrop mit Elisabeth Sartorius aus Krefeld, die ihm 5 Kinder schenkte, von denen er zwei Söhne im zweiten Weltkrieg hergeben mußte. 
In Mintrops Göttinger Dissertation von1911:  "Uber die Ausbreitung der von den Massendrucken einer Großgasmaschine erzeugten Bodenschwingungen"  ist auch das Seismogramm von einem künstlichen Erdbeben, hervorgerufen durch den Aufschlag einer 4000 kg schweren, aus 14 m Höhe fallenden Stahlkugel auf Felsen, wiedergegeben. 
Im ersten Weltkrieg war Mintrop zunächst bei der Luftschiffabteilung eingesetzt und dann an maßgebender Stelle bei der Artillerieprüfungskommission tätig, wobei ihm insbesondere das Aufgabengebiet der Schallmeßtechnik übertragen wurde. Bereits 1917 erhielt er Patente bzw. Gebrauchsmuster für einen Erschütterungsmesser, für einen leichten Feldseismographen sowie für ein Verfahren zur Ermittlung des Ortes künstlicher Erschütterungen. Nach Schluß des Krieges meldete er am 7. Dezember 1919 das Verfahrenspatent zur Erforschung von Gebirgsschichten und nutzbaren Lagerstätten an, das die Grundlage für die weitere Entwicklung der angewandten Seismik bildet. 1920 berichtete Mintrop auf der Hauptversammlung der Deutschen Geologischen Gesellschaft eingehend über sein Verfahren: 
  "Ermittlung des Aufbaues von Gebirgsschichten aus seismischen Beobachtungen". 
Nachdem somit die wissenschaftlichen Voraussetzungen geschaffen waren und in der Industrie ein weitgehendes Interesse für diese neue Idee geweckt war, gründete Mintrop in Gemeinschaft mit einigen Ruhrkonzernen im Jahre 1921 in Hannover die Seismos G.m.b.H. zur Erforschung von Gebirgsschichten und nutzbaren Lagerstätten. Es war die erste Gesellschaft der Welt, welche sich zum Zwecke der Anwendung des seismischen Verfahrens konstituierte. Unmittelbar nach der Gründung der Seismos erteilte die Deutsche Erdöl AG. ihren ersten Auftrag zur Untersuchung eines Erdölfeldes, dem bald weitere Untersuchungen in Norddeutschland, Holland, Schweden, Polen, Mexiko und Österreich folgten. Der Siegeszug der angewandten Seismik wurde jedoch 1924 in den Südstaaten der USA eingeleitet, als durch diese Methode bis dahin geologisch unbekannte Salzstöcke sicher nachgewiesen werden konnten. Den Auftakt hierzu bildete die Erbohrung des Orchard-Domes. In schneller Folge wurden die berühmt gewordenen Ölfelder von Sugarland, Thompsons, Anahuac, Hastings und Tomball entdeckt. Von 1935 bis 1945 wurde auch in Deutschland ein systematischer Großeinsatz der Refraktionsseismik mit Mintrop-Pendeln im Rahmen der regionalen Geophy-sikalischen Reichsaufnahme unter Leitung des Reichsamtes für Bodenforschung durchgeführt. Nahezu 200 neue Salzstöcke und erdölhöffige "Kurzzeiten" Gebiete wurden gefunden.
Über diese weitgehend bekannten Erfolge hinaus ist Mintrop seinem erwählten Beruf als Markscheider immer treu geblieben und hat mit der ihm eigenen Zähigkeit und Energie auch für das Markscheidewesen Hervorragendes geleistet. So hat Mintrop während seiner Tätigkeit an der Bergschule in Bochum ein plastisches Modell der Steinkohlenablagerung im rheinisch-westfälischen Revier im Maßstab 1:10000 angefertigt, das heute im Geologischen Museum des Ruhrbergbaus steht und immer noch der Fachwelt wie den Laien Bewunderung abnötigt. Ebenfalls in diese Zeit fällt eine gemeinsam mit Professor Dr. Kukuk im Jahre 1912 durchgeführte Berechnung der im rechtsrheinischen Steinkohlenrevier bevorrateten Kohlevorkommen. 
Nach dem Professor Mintrop 1928 ein Ordinariat für Markscheidekunde und Geophysik an der Technischen Hochschule und der Universität Breslau übernommen hatte, legte er 1934 die Leitung der SEISMOS nieder. Nach erfolgreicher Lehr- und Forschungstätigkeit zwang ihn der deutsche Zusammenbruch 1945 zur Rückkehr in seine alte Heimat. 
Zu seiner Lehrtätigkeit rechnete Mintrop auch eine lebhafte Förderung des Nachwuchses, die nicht weniger Zeugnis ablegt von seinem kameradschaftlichen Geist als seine vorbildliche, durch manche Anekdote belegte Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern der großen Pionierzeit. 
Nach vorübergehender Lehrtätigkeit in Aachen wandte sich Mintrop ab 1948 erneut den Fragen der großen Seismik zu: der Gliederung der tieferen Erdrinde und dem Bau des Alpenuntergrundes. Zahlreiche Vortragsreisen und Veröffentlichungen aus der Nachkriegszeit legen beredtes Zeugnis ab von seinem ungebrochenen Lehr- und Forschungsdrang. Nahezu 50 Veröffentlichungen entstammen seiner Feder. 
So steht vor uns das Bild einer überragenden Persönlichkeit originaler Prägung. Mintrops Vitalität, verwurzelt in einem alten Bauerngeschlecht, und seine zielbewußte Tatkraft haben der Welt unschätzbare Dienste erwiesen. 
Dem Verstorbenen war es vergönnt, noch zu Lebzeiten durch zahlreiche Ehrungen Dank und Anerkennung der Mitwelt für seine Leistungen entgegenzunehmen: So war Professor Mintrop Ehrenmitglied des Deutschen Markscheidervereins, der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft und der American Society of Exploration Geophysicists (als einziger Ausländer!), nachdem er bereits 1930 zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher zu Halle (Leopoldina) ernannt worden war. Mintrop gehörte ferner dem Verwaltungsausschuß des Deutschen Museums in München an, dem Kuratorium des Hauses der Technik in Essen und dem Außeninstitut der Technischen Hochschule in Aachen. Die Hochschule Leoben promovierte ihn 1949 zum Dr. mont h. c., die Deutsche Gesellschaft für Mineralölwissenschaft und Kohlechemie verlieh ihm 1953 die Carl-Engler-Medaille. 

Alle, die mit Professor Mintrop gewirkt und ihn gekannt haben, werden ihm ein dankbares und bleibendes Andenken bewahren. 

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